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AutorenbildSamuel S. Weber

Warum Value Investing? Eine persönliche Reise

Aktualisiert: 16. Dez. 2020

Finanzmarkttheorie hat mich seit Tag eins meines Studiums interessiert. Während dem Bachelorstudium an der Universität Basel habe ich sämtliche Vorlesungen in diesem Gebiet besucht. Die intellektuelle Herausforderung, die Schönheit der mathematischen Konsistenz und die Qualität des Unterrichts sind dabei besonders hervorzuheben. Prof. Dr. Heinz Zimmermann hat in seinen beiden Vorlesungen (Finanzmarkttheorie 1 über die moderne Portfoliotheorie und Finanzmarkttheorie 2 über Derivate) stets betont, dass eine Theorie nur so gut sei wie die zugrunde liegenden Annahmen. Was er damit genau gemeint hat, wurde mir erst zwei Jahre später während einem Praktikum in der UBS Investment Bank bewusst. Von Februar bis August 2008 versuchte ich, Fixed-Income Derivate zu verkaufen; genau die Produkte, die am Ursprung der Finanzkrise standen (man denke an Kreditausfallversicherungen) und deren fehlerhafte Anwendung zwei Wochen nach Ende des Praktikums zum Konkurs von Lehman Brothers beitrug.

Es war offensichtlich, dass mit dem Risikomanagement der Bankenwelt und den zugrunde liegenden finanzmarkttheoretischen Annahmen etwas nicht stimmte. Die Anspannung der Börsenteilnehmer war enorm. Aktienkurse fielen ins Bodenlose, Firmen gingen massenweise bankrott, die Arbeitslosigkeit stieg sprunghaft an und weise Wirtschaftsführer fragten sich, ob unser Finanzsystem kollabiert und dabei die gesamte Weltwirtschaft mit hinunterzieht. Diese Erfahrung weckte bei mir den Verdacht, dass es bessere Instrumente zum Management von Risiken an den Finanzmärkten geben muss als die moderne Portfoliotheorie, und so habe ich mich im letzten Jahr meines Bachelorstudiums auf die Suche nach anderen Finanzmarktstrategien gemacht. Dabei waren die Universitäten leider keine Hilfe. Sowohl im Bachelor der Universität Basel als auch im Master der Universität St. Gallen lag der Fokus ausschließlich auf traditionellen Theorien, und ich entschied mich dazu, im Eigenstudium die erfolgreichsten Investoren zu analysieren.

Warren Buffett und Charlie Munger, mit einem Leistungsausweis von über 50 Jahren die wohl zwei erfolgreichsten Investoren der Welt, bestärkten meinen Verdacht. Die moderne Portfoliotheorie sei "asinine" (Munger 2006) und das Konzept der Kapitalkosten sei eine "perfectly amazing mental malfunction" (Munger 2003). Buffett und er würden weder Beta, noch die Kovarianz zwischen Aktien, noch das Capital Asset Pricing Modell diskutieren, sondern sich nur auf zwei Variablen fokussieren, nämlich den Preis und Wert einer Aktie (Buffett 1987). In seinem Vorwort zum Buch "The Intelligent Investor" schreibt Buffett "if you follow the behavioral and business principles that Graham advocates - and if you pay special attention to the invaluable advice in chapters 8 and 20 - you will not get poor results from your investments." Natürlich habe ich dieses Buch sofort gelesen (mit besonderem Fokus auf die Konzepte "Mr. Market" in Kapitel 8 und "Sicherheitsmarge" in Kapitel 20) und bin dann im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit "Another Perspective on Investor Behavior: Do Investors Base their Decisions Mainly on Real Economic Factors?" unter Beaufsichtigung von Prof. Dr. Gantenbein der Frage nachgegangen, ob Aktienkurse die realwirtschaftliche Entwicklung widerspiegeln.

Später habe ich dann festgestellt, dass nicht nur Warren Buffett und Charlie Munger, sondern auch viele andere erfolgreiche InvestorInnen (d.h. solche, die über Jahrzehnte systematisch eine höhere Rendite erzielen als ein Marktindex) sich auf das von Benjamin Graham entwickelte Konzept "Value Investing" stützen. Dieses unterscheidet sich fundamental von der an den Universitäten gelehrten Theorie. Das ist nicht weiter erstaunlich, zumal eine systematische Outperformance eines Marktindex gemäß Finanzmarkttheorie gar nicht möglich sein sollte. Die damit verbundenen Erkenntnisse habe ich anschließend im Rahmen meiner Masterarbeit "Value Investing the SPI: An Attempt to Beat the Market Through the Exploitation of Discrepancies Between Price and Value" unter Beaufsichtigung von Prof. Dr. Thorsten Truijens weiter vertieft. Gerne zeige ich hier die 3 wichtigsten Unterschiede zwischen der modernen Portfoliotheorie und dem Value Investing auf:

  1. Für Value InvestorInnen gilt eine strikte Unterscheidung zwischen Risiko und Kursschwankungen. Risiko ist, Kapital permanent zu verlieren. Für eine InvestorIn ist alles, was die Gewinne einer Firma im Verhältnis zum bezahlten Preis reduzieren könnte, potenziell ein Risiko. Risiko, Wert und Attraktivität (herkömmlich gesagt das Preis-Leistungsverhältnis) einer Aktie kann man nur beurteilen, indem man die zugrunde liegende Firma analysiert. Hat die Firma einen nachhaltigen kompetitiven Vorteil? Ist das Management fähig und aktionärsorientiert? Unterliegt die Industrie dramatischen Veränderungen, die die Fähigkeiten der Firma obsolet machen könnten? Ist die Firma starken (währungs-)politischen Risiken ausgesetzt? Entschädigt der Preis der Aktie in Anbetracht der vorangegangen Analyse für die eingegangenen Risiken? Ganz anders die Finanzmarkttheorie: sie beurteilt das Risiko einer Aktie ausschließlich anhand den Schwankungen ihres Aktienkurses. Die Firma, auf die sich eine Aktie bezieht, findet in der Finanzmarkttheorie keine Beachtung. Aktien existieren sozusagen in einem luftleeren Raum, wo Risiko nichts mit Betriebswirtschaft zu tun hat.

  2. Die Finanzmarkttheorie postuliert, dass es keinen Unterschied gibt zwischen dem Preis und Wert einer Aktie. Der Aktienmarkt ist effizient, alle Informationen sind immer und jederzeit in den Aktienkursen enthalten. Value InvestorInnen hingegen sehen in der Diskrepanz zwischen Preis und Wert die zentrale Quelle für Performance. Je grösser dieser Unterschied, desto grösser die Sicherheitsmarge, desto kleiner das Risiko eines permanenten Kapitalverlusts und desto grösser die zu erwartende Rendite. Je mehr die Kurse schwanken, desto häufiger gibt es Diskrepanzen zwischen Preis und Wert, die zur Generierung von Überrendite genutzt werden können.

  3. Die Theorie lehrt, dass Diversifikation das Risiko reduziert. Weil eine systematische Outperformance des Marktes nicht möglich ist, verspricht Diversifikation eine Risikoreduktion ohne Chancenminderung. Für Value InvestorInnen macht Diversifikation hingegen nur dann Sinn, wenn man nicht weiß, was man tut. Diversifikation schützt vor Ignoranz, man spricht von "Deworsification". Für alle InvestorInnen, die wissen, was sie tun, limitiert eine zu hohe Diversifikation die erzielbare Rendite. Selten hat eine InvestorIn mehr als 10 gute Ideen. Sie kann also nicht ein Portfolio aus 100 Aktien zusammenstellen, ohne die Qualität der einzelnen Ideen und somit die Renditechancen zu reduzieren.

Nicht jeder erfolgreiche Investor folgt dem Gedankengerüst des Value Investing (z.B. Stanley Druckenmiller, David Swensen und viele mehr). Trotzdem fühle ich mich mit diesem Anlagestil gut gerüstet, um der unberechenbaren Welt der Finanzmärkte mit einem fokussierten Portfolio so zu begegnen, dass ich für meine KundInnen mittel- bis langfristig eine ansprechende Rendite erzielen kann.

Samuel S. Weber, M.A. SIM-HSG

Zug, 05.10.2019





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